Im Zuge der Coronakrise haben Millionen von Arbeitnehmern ihr Verhältnis zur Arbeit in Frage gestellt und ihren Job gekündigt. Dieses durch viele Faktoren bedingte Phänomen, das für Schlagzeilen sorgt und von den Medien als „the Great Resignation“ bezeichnet wird, hat in den Vereinigten Staaten Wurzeln geschlagen und könnte auch auf Europa übergreifen. Angesichts eines stets komplexer werdenden Arbeitsmarktes ist es für Unternehmen wichtiger denn je, Talente an sich zu binden.
Was ist „the Great Resignation“?
Anthony Klotz, Professor für Management an der Mays Business School (Texas A&M University), prägte den Begriff „Great Resignation“, um die massive Kündigungswelle zu beschreiben, die er bei Amerikanern während der Coronakrise beobachtet hatte.
Auf die Frage nach den Ursprüngen dieses Phänomens nennt er vier Haupttrends:
- Einige Beschäftigte, die während der Pandemie kündigen wollten, mussten ihre Pläne umständehalber aufschieben, sodass sich die Zahl der Kündigungen auf eine Zeit konzentrierte, in der sich die Wirtschaft durch den Impferfolg und den Aufschwung der Konjunktur verbesserte.
- Andere Arbeitnehmer sind von der Krise erschöpft und verlassen ihren Arbeitsplatz aufgrund von Burnout, insbesondere „Mitarbeiter an vorderster Front“ und leitende Angestellte.
- Manche Arbeitnehmer sehen die globale Krise auch als Chance, ihr berufliches Leben zu ändern, und entscheiden sich beispielsweise für eine Umschulung oder die Gründung einer eigenen Firma.
- Schließlich gibt es auch Beschäftigte, die nach Monaten der Telearbeit einfach nicht mehr ins Büro zurückkehren wollen.
Bei Letzteren ist nicht zu erwarten, dass sich dieser Trend verlangsamt: „Es geht nicht nur darum, einen anderen Arbeitsplatz zu suchen oder das Unternehmen zu verlassen, sondern darum, die Kontrolle über seine Arbeit und sein Privatleben zu übernehmen, indem man eine so einschneidende Entscheidung wie eine Kündigung trifft. Dieser Trend zur Stärkung der Arbeitnehmer wird sich 2022 fortsetzen.“
Spiegeln die Zahlen in den USA einen globalen Trend wieder?
Die Zahlen in den Vereinigten Staaten sind beeindruckend: Im Jahr 2021 haben „durchschnittlich mehr als 3,95 Millionen Arbeitnehmer jeden Monat ihren Arbeitsplatz gekündigt“ (shrm.org, „How Historic Has the Great Resignation Been?“, 2022). Es ist klar, dass die Pandemie das Verhältnis zur Arbeit auf der ganzen Welt tiefgreifend verändert hat. Allerdings sieht diese Entwicklung in jedem Land, in jeder Kultur und für jeden Arbeitsmarkt anders aus.
Jerónimo Maillo, Professor für Europarecht an der CEU San-Pablo-Universität in Madrid, erklärt: „In den Vereinigten Staaten zum Beispiel ist es viel einfacher, die Entscheidung für eine Kündigung zu treffen, weil es relativ einfach ist, einen anderen Arbeitsplatz zu finden.“(Euronews.com, The Great Resignation: Is the American workplace revolution coming to Europe?, 2022). Laut Elvira González, Expertin für Arbeitsmarkt- und Beschäftigungspolitik am European Centre of Expertise, ist dies in der Europäischen Union nicht der Fall, wo „Arbeitsmarktinstitutionen, einschließlich Tarifverhandlungen zwischen Gewerkschaften und Arbeitgebern, sowie Instrumente wie Demonstrationen und Streiks dazu beitragen, dieses Gefühl zu verstärken.“ Einige Zahlen deuten jedoch darauf hin, dass auch in den europäischen Ländern eine große, wenn auch geringere Kündigungswelle besteht.
Interessant ist auch, dass einige Sektoren und Berufe aufgrund des Drucks während der Pandemie und der Arbeitsbedingungen besonders stark von diesem Phänomen betroffen waren: Gesundheitswesen, Hotel- und Gaststättengewerbe, persönliche Dienstleistungen usw. Diese Entwicklung könnte sich auch auf den Einkauf auswirken, der in dieser Krisenzeit aufgrund von Produktknappheit und Spannungen in der Lieferkette besonders gefordert war. So gaben laut einer Studie von Gartner (Gartner, The Great (Procurement) Resignation Didn’t Have to Be This Great, 2021) 50% der unter 40-Jährigen im Bereich Beschaffung und Lieferkette an, in ihrem derzeitigen Job bleiben zu wollen.
Mittels dieser die ganze Welt erschütternden Kündigungswelle suchen Menschen vor allem nach einem Sinn und einem besseren Gleichgewicht zwischen ihrem Berufs- und Privatleben. Sie möchten mit neuen Arbeits- und Managementmethoden in den Unternehmen experimentieren, die die Arbeitswelt revolutionieren werden.
Welche Hebel können eingesetzt werden, um der Kündigungswelle Einhalt zu gebieten?
Im Hinblick auf diese Situation besteht die Herausforderung für Unternehmen heute darin, ihre Mitarbeiter an sich zu binden. Angesichts des tiefgreifenden Wandels in der Arbeitswelt müssen sie sich jetzt anpassen und ändern. Laut einer Umfrage von Central Test wird die Aufrechterhaltung der Motivation und des Engagements der Mitarbeiter von jedem zweiten Unternehmen als eine der größten Herausforderungen für die kommenden Jahre angesehen (Central Test, 2021 trends in talent assessment and development, 2021).
Um dies zu erreichen, ist es von entscheidender Bedeutung, eine echte Strategie in Bezug auf die Qualität des Arbeitslebens umzusetzen, die ein wesentlicher Bestandteil der sozialen Verantwortung der Unternehmen ist. Verschiedene Maßnahmen zur Förderung des Wohlbefindens und der psychischen Gesundheit am Arbeitsplatz werden von Unternehmen in großem Umfang unterstützt, z.B. die regelmäßige Durchführung von Zufriedenheitsumfragen, die Schulung von Führungskräften in der Erkennung und Prävention psychosozialer Risiken und die Entwicklung einer freundlichen Führungskultur mittels Teambuildings in einer Zeit, in der Mitarbeiter wieder zueinanderfinden müssen.
Eine weitere Herausforderung für die Mitarbeiterbindung ist die Flexibilität der Arbeitsmethoden. Dies ist eine der wichtigsten Fähigkeiten, die Einkaufsleiter in den kommenden Jahren beherrschen müssen. Dazu gehören flexible Arbeitszeiten, Telearbeit und die Bürogestaltung. Diese tiefgreifenden Veränderungen bringen neue Herausforderungen für Unternehmen mit sich, in denen alles aus der Ferne erledigt wird, insbesondere in Bezug auf das Krisen- und Teammanagement.
Schließlich ist auch die Talentförderung ein wichtiger Hebel. Unternehmen müssen ihre Mitarbeiter unterstützen und in ihre Fortbildung investieren, sei es durch Karriereentwicklung, Schulungen oder Coaching. Für Funktionen im Beschaffungswesen wird sich dies in der Aneignung neuer Fähigkeiten niederschlagen, wie z.B. Innovation Sourcing und die Umsetzung einer nachhaltigen Beschaffungspolitik.
Zu betonen ist hierbei, dass die Fortbildung der Mitarbeiter und insbesondere die Entwicklung der Einkaufsfunktion ein entscheidender Bestandteil der sozialen Verantwortung der Unternehmen ist, und zwar durch die Entwicklung des Humankapitals und den Einsatz eines verantwortungsvollen Einkaufskonzepts.
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Dieses durch die Pandemie beschleunigte soziale Phänomen, das als „the Great Resignation“ bezeichnet wird, spaltet Unternehmen. Arbeitgeber sollten aktuell nicht darauf warten, bis sich der Trend über den Atlantik ausgebreitet hat, um zugunsten ihrer eigenen Wettbewerbsfähigkeit an der Fortbildung ihrer Mitarbeiter zu arbeiten.